(Kultur 31.10.2012 - Von Miklós Vajna) Konzertgänger wörtlich genommen Zehn Organisten spielten in neun Backnanger Kirchen - Die Besucher pilgerten von Gotteshaus zu Gotteshaus BACKNANG. In Stundenabständen sieht man Menschen, die durch die nächtliche Innenstadt von einer Kirche zur nächsten wandern, einzeln oder in kleinen Gruppen, mit Programmheften in der Hand.
..es ist Backnanger Orgelnacht. Zehn Organisten spielen gleichzeitig an den Orgeln in neun Backnanger Kirchen, immer zur vollen Stunde ein gleich bleibendes Programm von 30 Minuten, 5-mal zwischen 19 und 23 Uhr. An der ersten Kirche erhält man das Programmheft und gleichzeitig damit die Berechtigung zum 5-maligen Eintritt. So kann sich jeder sein persönliches Konzertprogramm zusammenstellen und Prioritäten setzen: musikalisch, auf den Organisten bezogen, oder logistisch-konditionell. In einem relativ überschaubaren Zeitrahmen wird durch das gelungene Orgelnachtkonzept eine reiche Vielfalt an Eindrücken erlebbar. In Kirchen, die sich deutlich in Akustik, Architektur und Atmosphäre unterscheiden, erklingen Orgeln mit individueller Charakteristik: von zurückhaltend-dezent über dunkel-klangvoll, modernistisch, französisch-pompös bis hin zu hell-agressiv. Angeboten wird ein breites Spektrum an Orgelmusik aus 5 Jahrhunderten, angefangen mit dem frühbarocken Komponisten Samuel Scheidt, endend mit dem Filmmusikkomponisten Klaus Badelt, darunter ungewöhnliche Adaptionen wie die eigentlich für Cembalo geschriebenen Goldbergvariationen von Johann Sebastian Bach oder „He’s A Pirate“ aus dem Film „Fluch der Karibik“, und auch mitreißende Stücke wie die Toccata von Charles-Marie Widor oder „Sortie“ von Louis Lefébure-Wély. Man erlebt die persönliche Eigenart der Organisten im Orgelspiel, in der Begrüßung und im Gespräch. Und, nicht zu verachten, der unumgängliche Fußweg zum nächsten Konzertort belebt den Kreislauf, entlastet die Ohren und erfrischt den Geist. So bleibt man immer hellwach für die noch kommenden neuen Eindrücke. Die Zuhörerzahlen liegen zwischen etwa 5 und 50 Besuchern pro Konzert. Sie nehmen naturgemäß ab, je später es wird, auch die vom Zentrum entfernter gelegenen Kirchen sind weniger gut besucht. Die Resonanz unter den „Konzertgängern“ ist sehr positiv, man genießt das besondere Erlebnis, freut sich auf die Vielzahl von Musikstücken, tauscht sich untereinander aus und ist auch sicherlich ein bisschen stolz aufs Durchhalten. Das freundliche Stärkungsangebot in einigen Kirchen mit Getränken und Kleinigkeiten zum Essen wird sehr gerne angenommen. Siegfried Baral, Sieghard Bertsch, Natalie Denninger, Rainer Deppert, Kai Dolde, Ernst-Gerhard Höhn, Hans-Joachim Renz, Christoph Rothfuß, Reiner Schulte, Viktor Soos, das sind die Organisten, die an diesem Abend 5-mal ihr Programm spielen, immer bemüht um gleichbleibend hohes Konzentrationsniveau und musikalische Qualität. Ihr Marathoneinsatz ist bewundernswert, die Freude am Vortrag und im Musizieren ist beständig und stets spürbar. Das Publikum spendete regelmäßig und dankbar langen Applaus und ging, etwas müde zwar, aber sehr erfüllt nach Hause.